Blog und Videos der Akademie
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Unsere Blogbeiträge
Einordnung der Hochsensibilität und eine gewagte These
Ist Hochsensibilität eine Krankheit?
Sie ist unter vielen Namen bekannt – Hochsensibilität, emotionale Hochbegabung, Hochsensitivität oder auch Wahrnehmungsbegabung. Doch meist sprechen wir von Hochsensibilität, wenn wir dieses vielschichtige Thema erforschen.
Viele fragen sich: Ist Hochsensibilität eine psychische Krankheit?
Denn der Leidensdruck bei HSP (high sensitive persons) kann groß sein. Es kommt häufig vor, dass zusätzlich oder irrtümlicherweise Diagnosen wie Depressionen, Angststörung, Borderline-Persönlichkeitsstörung, bipolare Störung und Zwangsstörung gestellt werden.
Die Möglichkeit der Verwechslung mit ADHS oder Autismus ist groß und Hochbegabung oder Vielbegabung treten häufig in Verbindung mit Hochsensibilität auf.
Doch warum ist das so? Und warum gibt es für all diese Aspekte genormte Diagnosekriterien, während es für Hochsensibilität keine gibt?
Laut des internationalen Klassifikationssystems für Krankheiten, dem ICD 11, gilt Hochsensibilität nicht als Krankheit. Sie findet auch in der Psychologie, Pädagogik und den Lehrberufen kaum Beachtung. Oft wird sie als Modediagnose abgetan, doch aus der Diskussion um Neurodiversität ist sie nicht wegzudenken.
Hochsensible selbst fühlen, dass gerade diese Eigenschaft ihre Denkweise, ihre Offenheit für Reize und ihre Kreativität auf einzigartige Weise prägt.
Obwohl es viele Studien und Bücher gibt, nehmen Ärzte und Psychologen hochsensible Personen oft nicht ernst. Ohne eine offizielle Diagnose fehlen standardisierte Tests, was den wissenschaftlichen Nachweis von Hochsensibilität in Schule und Beruf erschwert. Während es für Autisten oder ADHSler Förderangebote, Ergotherapie, Nachteilsausgleiche oder Pflegegrade gibt, stehen HSP oft allein da.
Doch dies hat auch Vorteile: HSP werden nicht vorschnell „abgestempelt“ oder in „Schubladen gesteckt“, nur weil ihre Akte in irgendeinem Testzentrum irgendwann mal mit dem Stempel „psychische Störung“ versehen wurde.
Dadurch bleiben Hochsensiblen alle Türen offen. Auch diejenigen, die neurodivergenten Menschen sonst verschlossen bleiben. → Dieser Punkt ist noch nicht ganz klar.
Doch welchen Stellenwert nimmt die Hochsensibilität nun zwischen den Neurodivergenzen mit offizieller Diagnose ein?
Bereit für eine gewagte These?
Ist Hochsensibilität als gewollte und immer gleich verteilte Eigenschaft in menschlichen und tierischen Populationen der Ausgangszustand für Neurodivergenzen mit „Krankheitswert“? Und der Krankheitswert entsteht aus der Schieflage der gesellschaftlichen Veränderungen quasi als Warnung dafür, dass unsere Umweltbedingungen schlecht für uns sind?
Dieser Gedanke beschäftigt mich schon lange.
Ich sehe Hochsensibilität im Mittelpunkt dieser (vermeintlichen) Störungen, denn es bestehen bemerkenswerte Ähnlichkeiten zu anderen Neurodivergenzen.
Die Eigenschaften der Hochsensibilität weisen starke Parallelen zum Autismusspektrum auf: Die Reizoffenheit, das hohe Bedürfnis nach Ruhe und Gefühlsausbrüche sind bei vielen Betroffenen ähnlich ausgeprägt.
Ebenso zeigen sich Ähnlichkeiten zwischen ADHS und Hochsensibilität: Die Neigung zur schnellen Ablenkbarkeit, Schwierigkeiten bei der Konzentration und ein teils andersartiges Denken sind bei beiden Gruppen häufig zu beobachten.
Interessanterweise deckt sich Hochbegabung zu fast 90% mit den Merkmalen der Hochsensibilität. Ein zusätzliches Kriterium ist lediglich ein IQ-Wert von über 130.
Viele unerkannt Hochsensible leiden unter schlechten Umständen an psychischen Problemen. Ihre Art, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten, kann zu intensiveren Symptomen führen. Auch Zwangserkrankungen treten im Zusammenhang mit Hochsensibilität auf. Obwohl Hochsensibilität keine Krankheit ist, bildet sie doch oft den Grund für psychische Leiden.
Auf körperliche Erkrankungen im Zusammenhang mit Hochsensibilität möchte ich in einem späteren Artikel eingehen. → kann m. E. raus.
Hochsensibilität: Eine evolutionär sinnvolle Eigenschaft
Wusstest du, dass Hochsensibilität bei Menschen oder Tieren gleich verbreitet ist? Aus evolutionärer Sicht ist es sehr sinnvoll, dass 15-20% der Individuen einer Population hochsensibel sind: Sie sorgen für Harmonie, lösen komplexe Probleme, sind empathisch und hilfsbereit, fühlen sich mit der Natur verbunden und erkennen die Bedürfnisse von anderen und Bedrohungen schnell.
Sie denken voraus, sind vorsichtig und setzen alle Informationen in einen größeren Zusammenhang.
HSP waren oft wichtige Mitglieder der Gesellschaft, wie Heiler, Weise oder Schamanen. Aber in unserer schnelllebigen und reizüberfluteten Welt stehen hochsensible Personen unter enormem Druck und können ihre besonderen Fähigkeiten nicht nutzen. So geht es auch Autisten und Menschen mit ADHS.
Was wäre, wenn …
… wir ADHS und Autismus als extreme Formen der Hochsensibilität betrachten, beeinflusst von negativen Umweltfaktoren? Diese Sichtweise soll keinesfalls die Herausforderungen dieser Zustände herunterspielen. Diese Schwierigkeiten existieren und sind bedeutsam.
Diese Perspektive könnte unsere Sicht auf alle neurodivergenten Menschen verändern. Statt Fehler zu suchen, würden wir Potenziale wertschätzen. Niemand wäre ausgeschlossen. Stattdessen könnten alle ihre Stärken zum Wohl der Gemeinschaft beitragen. Das ist das wahre Konzept von Neurodiversität: Keine Störungen mehr, sondern echte Wertschätzung und Akzeptanz für alle!
Was sind deine Gedanken dazu? Schreibe sie mir doch gerne per Mail! Ich bin sehr gespannt!
info@childhood-akademie.de
Deine Daniela aus der Childhood-Akademie für Neurodiversität, 23.03.2024
Mädchen und Masking
Stop being Anna or Elsa… oder wie du Kindern helfen kannst, ihre Individualität nicht zu maskieren
Ich erzähle dir von der ersten wirklich tränenreichen Erfahrung meiner damals 4 Jährigen und was es
bedeutet, dein Kind gegen die Masse der Eintönigkeit und Konformität zu schützen.
Es war Rosenmontag, meine Jüngste verkleidete sich als Elsa aus „Frozen“, dem Walt Disney Film und
wählte bewusst ihr schönstes Kleid, und suchte mit Bedacht und liebevoll die Accessoires, die sie
persönlich mit einer selbstbewussten coolen Prinzessin in Verbindung brachte, aus.
Weinend und Tränen überströmt kam sie aus dem Kindergarten.
„Was ist denn los, Süße?“, fragte ich sie.
„Ich bin gar keine Elsa!“, brauch es schluchzend aus ihr heraus.
„Warum das denn nicht?“ Ich verstand die Welt nicht mehr.
„Die anderen sagen, Elsa trägt nur blaue Kleider!“
„Oh je! Das ist ja was!“, antwortete ich und rang um Fassung. Ich war schockiert, traurig, wütend und
hätte am liebsten geantwortet, was das denn für eine rückwärtsgewandte bescheuerte Ansicht sei.
Ich holte tief Luft und sagte stattdessen: „Du. Du weißt schon, dass Elsa ein ganzes Königreich regiert
oder?“
„Ja“, kam es tränennass und tief traurig mir entgegen.
„Glaubst du, dass Elsa nur blaue Kleider im Schrank hat, wenn sie das Gold für 100te von Kleidern in
allen Regenbogenfarben besitzen kann? Das wäre ja ganz schön komisch, oder?“
Das Strahlen hättet ihr sehen sollen.
Und wie es Vierjährigen so eigen ist, waren die Tränen verschwunden und wir hatten unsere erste
Lektion miteinander gelernt, was Gruppendruck und -zwang schon im Kita-Alter anrichtet, wenn du
nicht gegenlenkst…
Wir erleb(t)en noch viele solche Versuche von außen, oft von Mädchen kommend, dass Mädchen nun
mal so und nicht anders zu sein hätten. Der Beginn von Maskierung oder dem Zwang dazu beginnt
schon früh.
Du bist nicht schön.
Du hast zu wilde Haare!
Deine Sommersprossen gefallen mir nicht!
Mädchen dürfen keine Mädchen heiraten!
Deine Locken schauen ja aus dem Zopf, das geht so nicht!
Mädchen spielen im Freispiel nicht wild.
Eijeijei. Und das soll 2024 sein?
Und nun stellt euch vor, neurodivergente Kinder aus dem gesamten Spektrum sind nicht nur
äußerlich einzigartig, sondern auch von ihrer Hirnstruktur Elsas in regenbogenfarbenen Kleidern.
Schreibt uns gerne eure Geschichte, die vielleicht der erste Meilenstein zur Maskierung deines Kindes
war.
Deine Corinna aus der Childhood Akademie für Neurodiversität. 21.3.2024
Fortsetzung folgt….